ÖZL 2022 in Berglen

Hitzetod am Eichberg

Liebe Leserinnen und Leser,

schön, dass Sie die Zeit gefunden haben, mich wieder einmal in die wunderbare Welt des ÖZL zu begleiten. Nun wollen wir sogleich in die Welt des ÖZL abtauchen.

Schon am Aufbautag verhieß uns ein Blick auf den Wetterbericht für die kommenden zwei Wochen nichts Gutes. Hitze stand auf dem Plan, und so sollte es auch kommen. An kaum einem Tag blieb das Thermometer unter 30°C stehen. Trotzdem standen die Pflegetrupps des RP Tübingen und einige Helfer des BNAN sowie aus dem Leiterteam um 9 Uhr parat, um unser Lager aufzuschlagen. In wenigen Stunden verwandelte sich eine einfache Wiese in ein voll funktionsfähiges Feldlager. Neu in diesem Jahr waren unsere Duschcontainer dabei, nachdem es im letzten Jahr aufgrund von Lieferschwierigkeiten nicht geklappt hat. Diese wurden im Laufe des Jahres von Josef Letscher, einem unserer altgedienten Leiter, fertig ausgebaut und mit den nötigen Installationen versehen. Ebenso war es ihm zu verdanken, dass durch eine selbstgebaute Solarheizung für einen Teil der Teilnehmer eine warme Dusche möglich war, wobei der Mischhebel aufgrund des heißen Wetters bei den meisten doch eher auf Kalt stehen blieb.

Unser Lagerplatz lag in diesem Jahr im schönen Berglen, meiner Heimat, und bot uns einen herrlichen Blick über die meisten Ortsteile der Gemeinde. So schön der Ausblick und die Ruhe, welche man dort genießen konnte, auch waren, so nachteilig war diese exponierte Lage im Hinblick auf den Wind. Regelrechte Windhosen bildeten sich regelmäßig auf dem Platz und zerlegten zwei leichte Pavillons, rissen sie aus ihren Verankerungen und trieben sie mehrere Meter durch die Landschaft. Unseren weiteren Zelten konnten sie jedoch nichts anhaben. Dafür waren sie viel zu stabil gebaut und gut verankert.

Tags darauf reisten auch schon unsere Teilnehmer an. In diesem Jahr fanden sich 26 Jugendliche bei uns ein, welche von insgesamt 9 Leitern betreut wurden. Ein Großteil war wieder Wiederholungstäter, und wir freuten uns sie wiederzusehen. Nachdem alle angereist waren, gab es eine kleine Ansprache. Danach konnte man sich bei lustigen Kennenlernspielen bekanntmachen.

Ein weiteres Manko, welches das heiße Wetter mit sich brachte, war die stark eingeschränkte Möglichkeit, ein Feuer zu machen. Lediglich in der ausgedienten Trommel einer Waschmaschine war es möglich, bei Windstille ein Feuer zu entfachen. Immer mit Wassereimern im Anschlag und unter einigen wachsamen Augen, brannte dann ein, im Vergleich zu anderen Jahren, recht klägliches Feuerchen vor sich hin. Das hat  jedoch schon gereicht hat, um eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Der Blick ins Tal, und ein paar passend dazu aufgestellte Bänke trugen auch ihren Teil dazu bei, am Abend schöne Plätzchen zu finden, um sich zu treffen, um zu reden, zu singen oder einfach nur zum Chillen.

Am Sonntag hieß es dann das erste Mal auf zur Arbeitsfläche, um zu sehen, was es denn in den nächsten Wochen so zu tun gibt. Angeführt von Josef marschierte die Gruppe los und wurde dort dann auch von ihm in die Arbeiten eingeführt.

In diesem Jahr waren wir bei der AG Remstal im Gewann Unterer Eichberg zugange. Dort pflegten wir zunächst vereinseigene Streuobstwiesen, welche schon vor dem Lager gemäht wurden und somit von uns gleich abgeräumt werden konnten. Auch wurden auf diesen Flächen Bäume geschnitten und sogar Bäume gepflanzt. Dabei wurde den Jugendlichen auch erklärt, wie wertvoll die Streuobstwiesen sind, und dass sie zu den artenreichsten Lebensräumen Deutschlands gehören. Eine weitere Aufgabe in diesem Jahr war, eine alte Steillage von Brombeerbewuchs zu befreien und auch einen Teil des dortigen Totholzes zu entfernen. Auf dieser zweiten Fläche wurde noch bis 1900 Wein angebaut. Die dort vorhandenen Trockenmauern bieten einer Vielzahl von Reptilien und Insekten Lebensraum. Auf Drängen des BNAN wurde auf dieser Fläche 2013 eine Erstpflege beim Jugendlager durchgeführt und anschließend ein fester Zaun installiert, damit dort eine dauerhafte Beweidung durch Ziegen stattfinden konnte.

Nachdem alle wieder im Lager eingetroffen waren und sich beim Mittagessen stärken konnten, wurden die Beziehungen bei weiteren Spielen noch einmal vertieft.

Am Montag stand dann schon der erste Arbeitseinsatz an. Noch frohen Mutes und bepackt mit Handschuhen sowie reichlich Getränken, machte sich der ganze Trupp auf den Weg zur Fläche. Schon am Vormittag sah man, dass die Gruppe ganz toll und zügig arbeiteten. Arbeiten, die für zwei Tage vorgesehen waren, sind schon nach dem ersten Tag zum großen Teil erledigt gewesen. Da musste eine Lösung her. Zum Glück waren wir genügend Leiter. Darunter auch einige, die  Erfahrung im Umgang mit der Motorsense haben. Wir konnten so umstrukturieren, dass noch mehr Arbeit vorbereitet werden konnte. Ebenso haben wir das Pflanzen von Bäumen, welches eigentlich nur für die Workshops gedacht war, vorgezogen und in unsere Arbeitseinsätze eingebaut. Dank einiger Helfer und Leiter, die während der sonst arbeitsfreien Zeit ihre Erholungsphasen opferten, um bei der Gluthitze genügend Material für die Arbeitseinsätze vorzubereiten.Dies war auch bitter nötig, da die Arbeitsmoral bei den Teilnehmern kaum nachließ, und sie Tag für Tag unglaubliche Mengen den Hang hinunterschafften. Um die Hitze der Tage abzumildern, gab es bei der Heimkehr ins Lager hin und wieder mal ein Eis, welches von Ulrich Kraus gesponsert wurde. Er beweidet mit seinen Ziegen den Eichberg. Oder es wurden kalte Sprudelflaschen zum Mittagessen ausgegeben. Auch trug der Buchenbach, welcher am Fuße des Eichberg entlangfließt, seinen Teil zur Abkühlung bei.

Unsere Tageswanderung führte zu einer weitere BNAN-Fläche, den Gänsrain. Hier wurde 2008 mit dem Lager gepflegt, und die Grundlage für eine dauerhafte Beweidung geschaffen. Bevor wir ihn jedoch erreichten, besuchten wir die Stallungen der Familie Liedle und bekamen von ihrem Sohn Max, der auch ein Teilnehmer unseres Lagers war, eine kleine Führung über ihren Hof. Vorbei an Kühen und Straußvögeln ging es dann weiter zu unserem Ziel. Im Schatten der Bäume konnte dort das Mittagessen genossen und den Schafen beim Weiden zugeschaut werden, ehe es wieder zurück zum Zeltplatz ging.

Der diesjährige Busausflug führte uns in die Experimenta nach Heilbronn Dort konnte jeder den Dingen auf den Grund gehen und Naturwissenschaft und Technik näher kennenlernen. Ebenso waren alle recht glücklich darüber, den heißesten Tag in einem klimatisierten Gebäude und Bus verbringen zu dürfen.

Meist konnte man meinen, man ist nicht in einer kleinen schwäbischen Gemeinde, sondern in mitten eines mexikanischen Dorfes. Nachmittags, wenn normalerweise Spiele gemacht wurden, man sich gejagt oder auch mal gerangelt hat, herrschte Totenstille auf dem Platz, obwohl alle 35 Personen da waren. Es herrschte in stiller Übereinkunft Siesta, und jeder suchte sich ein schattiges Plätzchen, um ein wenig zu chillen. Wenn man aus dem Zelt blickte, hat nur noch ein trockener Busch gefehlt, der wie in einem Westernstreifen, vom Wind getrieben, über den Platz rollt, und im Hintergrund spielt jemand Mundharmonika. Sobald jedoch die Sonne unterging, wandelte sich das Bild ins genaue Gegenteil und im Lager herrschte eine Ausgelassenheit bis in die tiefe Nacht hinein.

Am mittleren Samstag standen unsere Workshops an. Wir boten den Jugendlichen die Möglichkeit, Nistkästen zu bauen, die wiederum von unserem treuesten Helfer Markus „Kuse“ Türk vorbereitet wurden. Das Holz stammte von Bäumen, die auf vereinseigenen Flächen gewachsen sind. Andere bastelten Klemmbretter aus Recyclingmaterial. Etliche bauten sogenannte Seedbombs, um als „Guerilla-Gärtner“ die Städte zu verschönern. Eine Gruppe pflanzte auf der Arbeitsfläche Bäumchen. Jedes Bäumchen erhielt einen Verbissschutz und sein Stamm wurde geweißelt.

An diesem Abend gab es etwas Neues. Erstmals wurde ein Casino – Abend durchgeführt. Mit viel Liebe verwandelten die Leiter das Küchenzelt in ein Casino mit Glücksspiel, Bar und einer Fotobox. Extra dafür putzten sie sich heraus mit Frack und Zylinder oder im Abendkleid. Natürlich musste keiner unserer Teilnehmer dafür auch nur einen Cent springen lassen. Am Eingang erhielt jeder einen Grundstock an Jetons, mit denen er wahlweise an den Spieltischen bei Roulette, Black Jack, Poker oder Bingo sein Glück versuchen konnte, oder aber an der Bar einen alkoholfreien Cocktail genießen konnte. Schnell blühten die Teilnehmer in dieser Atmosphäre auf und ließen sich mitreißen, immer begleitet von lockerer Swingmusik. Da hatten wir die „Highroller“, die gerne mal eine Runde an der Bar springen ließen, die „Betrunkenen“, die dem Barkeeper ihre Probleme anvertrauten oder die „Zocker“, welche ihre Seelen für ein paar Jetons verkauften. In einer Fotobox konnte man mit verschiedenen Requisiten lustige Fotos von sich und seinen Freunden machen lassen. Die Resonanz der Teilnehmer war extrem positiv, und der Wunsch nach einer Wiederholung groß.

Unser klassisches Geländespiel wurde natürlich auch wieder gemacht. Ausgerüstet mit einer Wegbeschreibung ging es in Feld und Flur. Sofort begab man sich auf die Suche nach der nächsten Station. An dieser musste man dann sein Wissen und Geschick zeigen, um am Ende ganz oben auf dem Treppchen zu stehen. Als Spiele wurden Wissensaufgaben gestellt, wobei Bäume und Pflanzen mit Hilfe des Tastsinns und auch die Stimmen hiesiger Vögel erkannt werden mussten. Bei kräftezehrenden Hindernisläufen kam man dann auch noch körperlich ins Schwitzen. Und alles nur, um am Ende die Nase vorne zu haben und den heißbegehrten Preis zu ergattern: Der Wunsch eines Abendessens. Immer wieder bin ich als Küche darauf gespannt, mit welchen kulinarischen Wünschen die Teilis in diesem Jahr wohl wieder aufwarten würden, nachdem sie mich schon in den letzten Jahren ziemlich gefordert haben, wie z.B. mit Dampfnudeln. Da kam dann auch schon die Gewinnergruppe, und was sollte es sein? Gyros mit Pommes. Diesem Wunsch konnte ich ohne größere Probleme gerne erfüllen.

Montags in der zweiten Woche waren Persönlichkeiten aus der Politik, von Naturschutzbehörden und Vertreter der schreibenden Zunft zum traditionellen Pressetermin eingeladen. Es kamen unser gerngesehener Dauergast, Herr Staatssekretär Dr. Andre Baumann, die Regierungspräsidentin des RP Stuttgart, Frau Susanne Bay, Herr Gernot Gruber MdL, Frau Stephanie Rebsch von der Stiftung Naturschutzfonds des Landes Baden-Württemberg, der Bürgermeister der Gemeinde Berglen Herr Holger Niederberger, sowie weitere Vertreter des Landratsamts, des Landschaftserhaltungsverbandes Rems-Murr-Kreis, des BNAN und des Bund für Naturschutz Oberschwaben. Jeder der Anwesenden fand nur lobende Worte für unser Lager und für die wichtige Arbeit, die wir für die Natur und für den Erhalt von wichtigen Lebensräumen leisten. Auch die wichtige Rolle unseres ÖZL als „Mittler“ zwischen Naturschutz und der Jugend wurde hervorgehoben, um das, wie von Staatssekretär Baumann beschriebene „Naturdefizitsyndrom“ zu bekämpfen, um sie dann mit dem „Naturschutzvirus“ zu impfen. Nach eine kleinen Talkrunde im Küchenzelt ging es dann auch raus zu unseren Jugendlichen auf die Fläche. Dort waren diese schon fleißig am Arbeiten. Anschließend brachten sie in einer Fragerunde die Damen und Herren ganz schön ins Schwitzen. Als diese dann wieder nach gut einer Stunde gegangen sind, gab es das wohlverdiente Mittagessen und zur Belohnung ein kleines Eis.

Am folgenden Tag war Entspannung angesagt. Wir fuhren ins Oskar-Frech-Seebad nach Schorndorf, wo alle ihre Seele baumeln lassen und sich im kühlen Nass abkühlen konnten.

Als einer der letzten großen Programmpunkte stand am zweiten Donnerstag noch der Kleingruppentag auf dem Plan. Dabei konnten die Teilnehmenden zwischen verschiedenen Aktivitäten wählen. Eine Gruppe ging in die Wilhelma nach Stuttgart, eine andere Gruppe begleitete den Jäger in den Wald und lernten den dortigen Lebensraum kennen. Die nächste fuhr mit dem Bus nach Kaisersbach zu den dortigen Kräuterterrassen. Dort erfuhr die Gruppe von einer Kräuterpädagogin Interessantes und Nützliches über einheimische Kräuter. Die vierte Gruppe besuchte Klenks Konditorei-Café-Lädle, um dort selbst Brot, Brötchen und Salzkuchen zu backen, welche am nächsten Tag beim Grillabend verspeist wurden. Am Abend hatte jeder die Möglichkeit, T-Shirts und andere Kleidungsstücke zu batiken, wobei sehr kreative und bunte Muster entstanden sind.

Nun war auch schon der letzte Tag gekommen. Am Vormittag packten nochmals alle ihre Sachen und machten sich ein letztes Mal auf den Weg zur Arbeitsfläche, um letztes Schnittgut zum Tal zu befördern. Nachmittags wurden die Teilnehmer für die, am Abend stattfindenden ÖZL-Games dann in Gruppen aufgeteilt. Direkt nach der Einteilung wurden Themen gezogen, zu denen sie sich passend verkleiden mussten und auch ein kleines Stück aus dem entsprechenden Film vorbereiten durften. Der Abend war gekommen, und wieder überraschten uns unsere Teilnehmer mit ihrer Kreativität. Man war einfach fasziniert, was aus einem einfachen Pappkarton, etwas Farbe oder einem Kartoffelsack gezaubert werden konnte. Nach der Vorführung ihrer Kostüme und der Aufführung ihres Stücks wurden bei herausfordernden Wettkämpfen die Gewinner der Spiele gekürt.

Im Anschluss wurde der Grill angeheizt, und alle konnten bei Gegrilltem und bunten Salaten mit selbstgebackenem Brot und Brötchen den Tag ausklingen lassen. Es wurde noch bis spät in die Nacht zusammen getanzt, geredet und gelacht, bevor es dann ein letztes Mal ins Bett ging.

Am nächsten Tag musste alles abgebaut werden. Deshalb stand man früh auf, denn die Helfer der RP-Trupps würden bald eintreffen. So war es dann auch. In Windeseile wurde das, was 2 Wochen unsere Heimat war, dem Erdboden gleichgemacht. Mit Wehmut trennten wir uns voneinander und versprachen uns, im nächsten Jahr wieder dabei zu sein.

Zum Abschluss möchte ich natürlich auch all jene nicht vergessen, ohne die unser ÖZL nicht möglich wäre. An erster Stelle möchte ich mich bei den Stiftungen bedanken, bei der Reinhold-Beitlich-Stiftung aus Tübingen und bei der Stiftung Naturschutzfonds des Landes Baden-Württemberg. Ohne ihre alljährliche finanzielle Unterstützung würde das ÖZL nicht das sein, was es ist. Wir könnten nicht solch ein umfangreiches Programm bieten mit diesem geringen Teilnehmerbeitrag. Aber auch all jene, die bei der Organisation Gewehr bei Fuß standen und nicht zögerten das Leiterteam zu unterstützen, um ihm Arbeit abzunehmen. Da vielen Dank an Isolde und Manfred Ludwig und auch an Markus Türk, der stets für unser Lager kämpft und es nach Kräften stützt. Herzlichen Dank gilt den Pflegetrupps des RP Tübingen, die sich um unser Equipment kümmerten und den Auf- und Abbau machten. Auch vielen Dank an das Leiterteam, welches das Lager auf die Beine gestellt, das Programm entworfen und organisiert hat. Wenn nicht alle an einem Strang ziehen würden, wäre das Lager, wie wir es kennen, nicht durchführbar.

Als kleinen Ausblick auf 2023 sei gesagt: Es wird dreckig, denn es geht ins Moor. Im nächsten Jahr werden wir bei unserem Schwester-Verein, dem Bund Naturschutz für Oberschwaben (BNO) zu Gast sein. Dort werden in der Nähe der schönen Stadt Isny im Allgäu das Naturschutz-Jugendzeltlager aufschlagen. Freuen wir uns jetzt schon darauf!

Autor:
Michael Klenk
Ulrichstr.1
73663 Berglen